Ganz so einfach ist es nicht

Letztes Jahr um diese Zeit hatte ich mir im Internet eine elektrische Schreibmaschine bestellt, denn ich wollte meine langjährige Schreibblockade endlich beenden. Es erschien mir ziemlich einleuchtend, den Laptop gegen eine Schreibmaschine zu tauschen, da ich auf dieser meinen Fortschritt direkt miterleben könnte. Klar hätte ich auch sofort auf DRUCKEN drücken können, aber es war der unmittelbare Prozess des Schreibens — Buchstaben direkt aufs Papier, ohne Umwege über den Computer — der mich reizte. Außerdem sollte mich das Relikt aus einer anderen Zeit vereinzigarten: Seht her — ich bin die junge, moderne Autorin aus dem 21. Jahrhundert, die es mit einer Elektrischen treibt: WELCH AUFREGENDE PERVERSION! Doch es kam alles ganz anders.

Ich öffnete den Karton und zum Vorschein kam ein schwarzer Beutel aus einem unnachgiebigen, merkwürdigen Material mit der Aufschrift »BROTHER«. Das Material hatte etwas an sich, was ich noch nie zuvor gefühlt hatte. Im Beutel befand sich die Schreibmaschine. Ich nahm sie heraus; sie war schwerer als erwartet. Ich stellte sie auf meinen Schreibtisch, der sich in meinem Schlafzimmer befand. Ich legte das Kabel der Maschine hinter meinen Schreibtisch und steckte den Stecker in den Strom. Den Beutel aus dem merkwürdigen Material sowie die Staubabdeckung warf ich direkt weg. Ich hatte nicht vor, meine Schreibmaschine verstauben zu lassen.

In den folgenden Tagen stellte sich heraus, dass das mit der elektrischen Schreibmaschine eine dumme Idee gewesen war. Nachdem ich sie noch voller Hoffnung angeschlossen und das verheißungsvolle Surren den Raum erfüllt hatte wie das nervöse Gemurmel in einer Bahnhofsvorhalle, fiel meine alles verklärende Vorfreude in sich zusammen wie das Soufflé meiner Ex-Schwiegermutter am 2. Weihnachtstag.

Es war alles zu langsam. Die angebliche »Maschine« reagierte nicht zügig genug auf meine viel zu schnellen Gedanken. Die Buchstaben flogen nur so übers Blatt; trotzdem blieb es nur der jämmerliche Versuch des Apparats, meine Gedanken irgendwie einzuholen. Ein paar Tage quälte ich mich durch diese Erkenntnis und versuchte sie zu ignorieren, bis ich aufgab, die Maschine vom Stecker zog und in den Flur stellte: ready for Elektromüll.

Am nächsten Morgen ging ich an der Schreibmaschine vorbei und würdigte sie keines Blickes. Erneut hatte ich die Hoffnung verloren, meine Blockade lösen zu können. Was für eine beschissene Vollmondidee ist das gewesen, dumme instagrammeske Retroromantik, Elektroschrott aus zu Recht vergangenen Zeiten; warum hatte ich schlafende Hunde wecken wollen, Unsinn in mein Haus gebracht, wo ich doch als perfide Minimalistin drei Mal überlege, was ich in mein Leben bringe. Nun war da wieder ein weiteres Ding in meinem Leben, das ich zu allem Überfluss auch noch direkt entsorgen musste — was für ein unnötiger, trauriger Ärger.

Den ersten Kaffee des Tages trank ich wie gewohnt am Küchentisch, von dem aus ich nicht nur aus dem Fenster sinnieren, sondern auch einen Blick in den unvorteilhaft langgezogenen Flur werfen kann, wenn ich möchte. Ich sinnierte also so aus dem Fenster, als mich irgendetwas dazu zwang, in den Flur hineinzusehen, eine unüberwindbare Kraft, ein Ziehen, vielleicht auch ein sanftes Drücken in die richtige Richtung, wie die Hand im Rücken eines Toddlers. Im Nachhinein kam es mir so vor, als hätte jemand meinen Namen gerufen, und zwar sehr leise. Langsam bewegte ich meinen Kopf, während meine Augen versuchten schneller zu sein. Ich stellte die Tasse mit dem dampfenden Kaffee ab und blickte in die Stille des Flurs. Ich hörte die Uhr an der Wand ticken, und die erwartungsvolle Leere in meinem Kopf.

Ich sah die Schreibmaschine auf dem Flurboden liegen. Sie macht einen beleidigten Eindruck. Ich starrte sie kurz gedankenlos an; dann fiel es mir auf. Ein Blatt steckte in ihr, obwohl ich das letzte Blatt mit meinen jämmerlichen Schreibversuchen am Tag zuvor entfernt hatte. Warum hätte ich das Blatt auch stecken lassen sollen?

»Warum hätte ich das Blatt stecken lassen sollen?« fragte ich und stand auf. Ich schlurfte in meinen Homer-Simpson-Pantoffeln zur Schreibmaschine und betrachtete das Blatt. Das Blatt war nicht leer. Auf dem Blatt befand sich ein Satz, den ich nicht geschrieben hatte.

»Ich bin nicht schuld, dass du nicht schreibst.« 

Ich las den Satz mehrmals, bevor ich mich zur Schreibmaschine runterhockte und dann von der Hocke ins Sitzen überging, während ich mir theatralisch den Mund zuhielt vor Fassungslosigkeit. Dann fiel mir mein heißer Kaffee in der Küche ein und es erschien mir in diesem Moment so viel wichtiger, den Kaffeegenuss am Morgen zu beenden, als mich mit dem merkwürdigen Blattfund zu beschäftigen, sodass ich aufsprang und zurück in die Küche lief, denn ich hatte das Gefühl, meinen Kaffee zu versetzen, obwohl ich, als auch der Kaffee, ganz genau wussten, dass ich nur vor der Tatsache flüchtete, dass hier etwas passiert war, was ich mir nicht erklären konnte.

Ich trank meinen Kaffee aus und tat für kurze Zeit so, als wäre nichts passiert. Ich setzte mich und starrte wieder aus dem Fenster, aber die Welt war eine andere geworden, so viel uninteressanter; das Fenster zur Welt war nun die offene Tür zum Flur. Der Flur mit der elektrischen Schreibmaschine, die mir eine Botschaft übermittelt hatte.

Wer hatte mir den Satz geschrieben? Die Maschine selbst? Der Geist des vergangenen Besitzers, der nun in der Schreibmaschine wohnte? War ich es womöglich doch selbst gewesen? Aber ich hatte das Trinken aufgegeben und war seit mehreren Monaten nüchtern. Außerdem hatte ich das letzte Blatt entfernt und die Maschine vor dem Schlafengehen aus dem Strom gezogen, bevor ich sie in den Flur gestellt hatte. Was also war hier passiert? Oder bildete ich mir das alles nur ein? Ich dachte an Jonathan Frakes und musste schmunzeln.

Irgendwann an dem Tag hatte ich mich angezogen und mich getraut, die Maschine anzufassen und ins Auto zu laden. Bevor ich die Tür zum Kofferraum schloss, zog ich das Blatt raus, faltete es und steckte es in meine Jackentasche. Ich fuhr zum Container für Elektroschrott und ballerte die Schreibmaschine hinein. Das Blatt zündete ich an und es verbrannte vor meinen Augen. Ich zertrat die letzten schwarzen Fetzen mit meinen Füßen.

Ich fuhr zurück nach Hause und als ich in den Flur trat, sah ich erneut die Schreibmaschine dort liegen, samt eingespanntem Blatt. Ich schrie auf.

»Dachtest du wirklich, es wäre so einfach?« 

Ich dachte nicht lange nach - erneut verbrannte ich das Blatt. Doch die Schreibmaschine wieder nur in den Container zu werfen, erschien mir zu riskant. Stattdessen fuhr ich zum Recyclinghof. Ich sagte dem Pförtner, was ich dabei hatte und er zeigte mir, wo ich hin sollte. Ich parkte und warf die Schreibmaschine mit voller Wucht auf den Boden, sodass sie in mehrere Einzelteile zersprang. Ich nahm sie (oder was davon übrig war) erneut hoch und warf sie so fest ich nur konnte auf den Boden.

Zurück an der Wohnung, öffnete ich zitternd die Haustür. Ich sah, dass der Flur leer war. Erleichtert schloss ich die Tür hinter mir und ging direkt in die Küche, wo ich mir zur Feier des Tages einen schwarzen Tee machen wollte. Ich ging an meinem Schlafzimmer vorbei und direkt wieder zurück, weil ich mir nicht sicher war, ob ich mir das nur einbebildet hatte, was ich da gesehen hatte. Aber ich hatte es mir nicht eingebildet. Seelenruhig stand auf meinem Schreibtisch die Schreibmaschine, die ich noch vor wenigen Minuten in hunderte Einzelteile zerlegt hatte. Langsam näherte ich mich dem Ding; welche Botschaft hatte sie diesmal für mich? Ich blickte auf den Zettel, las und verstand.

»Letztes Jahr um diese Zeit hatte ich mir im Internet eine elektrische Schreibmaschine bestellt.« 

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